3 Fragen an...

Dr. Klaus Sondergeld, Vorsitzender Rundfunkrat Radio Bremen und Vorsitzender ARD-GVK

1. Wie werden die neuen Vorgaben der Länder die Arbeit der Aufsichtsgremien konkret verändern? Welche Auswirkungen erwarten Sie auf deren Strukturen und Entscheidungsprozesse?

Die Reform klärt und schärft Rollen und Kompetenzen. Die neue Gremienvertreterkonferenz wird erstmals gesetzlich beauftragt. Ziel ist vor allem, die Gremienarbeit der einzelnen ARD-Anstalten zu koordinieren und vergleichbarer zu machen.

Anders als der bisherige Programmbeirat wird die neue Gremienvertreterkonferenz auch explizit als Aufsicht definiert: über das Arbeitsgebiet der ARD-Programmdirektion, die Zusammenstellung und Struktur der gemeinsamen Angebote. Für jeden zugelieferten Beitrag ist und bleibt das jeweilige Gremium der zuliefernden Anstalt zuständig; die neue GVK kann aber begründete Stellungnahmen dazu abgeben.

Die sog. Federführungen stellen auch die jeweiligen Gremien der federführenden Anstalten vor zusätzliche Herausforderungen. Der Gesetzgeber fordert effizientere Zusammenarbeit der Landesrundfunkanstalten durch sinnvolle Arbeitsteilung und eindeutige Verantwortlichkeit.

Die Neuverteilung von Pflichten ist klarer. Die Änderungen verlangen aber umso mehr eine gemeinsame Strategie und gemeinsame Leitlinien. Diese sind unter Führung des ARD-Vorsitzes und unter Einbeziehung der Gremien aufzustellen und fortzuschreiben.

Das geht nur in der vom Gesetzgeber zu Recht geforderten "Kultur der Zusammenarbeit". Sie braucht einen Kooperationswillen, der in erster Linie der Qualität des Angebots gilt, aber auch im Dienst von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit steht: innerhalb der ARD und über sie hinaus.

2. Wie hoch ist die derzeitige Arbeitsbelastung für Mitglieder der Rundfunkaufsicht, und inwiefern wird sie sich durch die geplanten Staatsverträge voraussichtlich verändern?

Die Anforderungen sind bereits hoch. Je nach Größe der Anstalt und dem zu beobachtenden Angebotsvolumen kann die Belastung sicherlich variieren. Hinzu kommen künftig z.B. die Aufsichtspflichten aus Federführungen. Die Erwartungen an die Ehrenamtlichen (!) der Gremien werden jedenfalls nicht geringer.

Die neue GVK wird nur zurechtkommen, wenn unnötige Schnittstellen vermieden werden. Die wachsende Arbeit muss sinnvoll auf alle gewählten Schultern verteilt werden; Stellvertretung kann mehr bedeuten als Vertretung bei Abwesenheit. Dafür gibt es schon vielversprechende Konzepte, die in die neue Geschäftsordnung einfließen können.

Zunächst aber werden wir alle mit der Umsetzung des Reformstaatsvertrags jede Menge anspruchsvoller Arbeit haben und dann die neuen Rollen und Regeln einüben müssen. Je mehr Kraft wir für kollektive Klugheit und kompromissgeneigte Gemeinsamkeit aufbringen, desto eher und besser wird der Wandel gelingen.

3. Der sächsische Ministerpräsident hat jüngst kritisiert, die Aufsichtsgremien seien ihrer Kontrollfunktion nicht ausreichend nachgekommen. Teilen Sie diese Einschätzung oder nicht, und warum?

Spitzenpolitikern, die wie Ministerpräsident Kretschmer einen Riesenjob machen, muss man auch mal ein grantiges „Uff“ zugestehen. In der Pressekonferenz zum Reformstaatsvertrag hat er kritisiert, die Gremien hätten eine Gestaltungsaufgabe nicht wahrgenommen – die ihnen aber gar nicht zukommt.

Das Gütesiegel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein Triple-A: Auftrag, Ausführung, Aufsicht. Die Zuständigkeit für den Auftrag liegt bei den Ländern, für die Ausführung bei den Intendant:innen und für die Aufsicht bei den Gremien. Mit dem Reformstaatsvertrag haben die Länder nun ihre ureigene Aufgabe angepackt, den Auftrag zu ändern.

Gewiss, mit der Umwandlung eines linearen Spartenkanals in ein Internetangebot hätten wir in der ARD ein sichtbares Symbol der Veränderungsbereitschaft setzen können, das von der Politik erwartet wurde. Die viel tiefgreifendere, aber nicht so symbolträchtige Umsetzung der ARD-Reformagenda kann sich jedoch auch sehen lassen! Im Übrigen bin ich bei der pluralen Zusammensetzung der Gremien keineswegs sicher, ob die Mehrheit ihrer Mitglieder ihre Aufgabe darin sähe, eine „Weniger-Strategie“ zu befördern. Davon raten auch Roger de Weck und andere Mitglieder des Zukunftsrats ab. Gefragt ist künftig auf jeden Fall ein Mehr an Dialogbereitschaft zwischen den Organen der Anstalten und der Gesellschaft zur bestmöglichen Auftragserfüllung.

19.3.2025