"Kein 3sat – kein Fenster zur kulturellen Vielfalt im deutschsprachigen Raum"

3sat ist das einzige Gemeinschaftsprogramm im deutschen Sprachraum mit kulturellem Schwerpunkt und erreicht täglich mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Über die künftige Ausrichtung von 3sat haben gestern die Gremien von ARD, ZDF, ORF und SRG im Rahmen eines gemeinsamen Treffens beraten. Im Austausch mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Distribution, Public Value, Kultur und Bildung wurde deutlich: Die Bedeutung von 3sat für die länderübergreifende Vermittlung kultureller Vielfalt und Teilhabe wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz in Zukunft weiter zunehmen.

Als gemeinsames öffentlich-rechtliches Wissens- und Kulturangebot von ZDF, ORF, SRG und ARD ist 3sat in Zeiten der Verunsicherung und Spaltung noch wichtiger geworden. Im Mittelpunkt des diesjährigen 3sat-Gremientreffens in Berlin stand daher die Frage, wie es gelingen kann, den Mehrwert von 3sat auch künftig fest in der deutschsprachigen Fernsehlandschaft zu verankern.

Die Gremienspitzen von ARD, ZDF, ORF und SRG sind sich einig, dass 3sat nicht zu schwächen, sondern zu stärken ist. "Ohne 3sat fehlt ein wichtiger kulturpolitischer Baustein im DACH-Raum. Es ist daher wichtig, dass hier auch künftig möglichst alle Ausspielwege weiter genutzt werden und sich gegenseitig verstärken können", fasst Engelbert Günster, Vorsitzender der ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz, zusammen.

Mehrwert durch ergänzende non-lineare Angebote und zielgenaue Exklusivproduktionen

Im vergangenen Jahr sind längerfristige Tendenzen auf dem Fernsehmarkt besonders deutlich geworden, wie die aktuelle Studie ARD/ZDF-Massenkommunikations-Trends 2023 zeigt: Lineares Fernsehen bleibt zwar an der Spitze der Bewegtbildnutzung, aber vor allem bei jüngeren Zielgruppen macht sich ein deutlicher Rückgang bemerkbar. 3sat reagiert auf diese Entwicklung und treibt den Transfer der linearen TV-Marke in non-lineare Nutzungsräume voran.

"3sat ist ein echtes Juwel mit Alleinstellungsmerkmal. Denn nirgendwo sonst findet Wissenschafts- und Kulturkommunikation für den gemeinsamen Sprach- und Kulturraum so umfangreich statt. Wir begrüßen den eingeschlagenen Weg zu einer stärkeren Präsenz im non-linearen Bereich und werden ihn konstruktiv begleiten", erklärt Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende ZDF-Fernsehrat.

Mit Blick auf die Angebote von 3sat kritisiert Professor Martin Andree, Professor für Medienwissenschaft und Digitale Medien an der Universität zu Köln, das Monopol großer Digital-Konzerne bei gleichzeitiger Reduktion kultureller Inhalte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: "Aus dem 3. Medienänderungsstaatsvertrag ergibt sich doch die zentrale demokratische Bedeutung der Kulturvermittlung. Die Angebote von 3sat sind also von enormer Bedeutung für unsere Gesellschaft. Programmvielfalt und -qualität müssen daher durch eine ausreichende Finanzierung sichergestellt werden."

Länder- und generationenübergreifende Teilhabe an Wissen und Kultur

Elena Kountidou, Geschäftsführerin Neue Deutsche Medienmacher*innen e.V., weist in ihrem Vortrag darauf hin, dass die Übertragung von Kulturangeboten für gewinnorientierte Medien weniger interessant ist. Sie betont, dass 3sat als Kultur- und Wissenschaftskanal das Potential besitzt, ein "Wir"-Gefühl innerhalb eines zunehmend diverser werdenden Publikums zu erzeugen: "3sat sollte Geschichten erzählen, die das vielfältige Leben der Gesellschaft widerspiegeln, unabhängig von Herkunft, Religion oder sozialem Hintergrund. So kann 3sat mit seinem Angebot eine Brücke zur Gesellschaft sein und Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medien schaffen. Gerade jetzt – wichtiger denn je."

Andreas Häuptli, Präsident SRG Deutschschweiz, bestätigt insbesondere mit Blick auf den Schweizer Markt: "Gerade Museen, Theater und Konzerte profitieren von der 3sat-Berichterstattung über kulturelle Institutionen. Ein Wegfall oder eine Schwächung dieses Angebots würde die internationale Sichtbarkeit des Schweizerischen Kulturschaffens deutlich schmälern."

Vor diesem Hintergrund setzt sich auch Walter Marschitz, Vorsitzender ORF-Publikumsrat, für die Förderung des politischen Diskurses in Europa ein, der durch das länderübergreifende Kulturprogramm gefördert wird: „3sat bietet uns nicht nur eine unverzichtbare Bühne für Kunst und Kultur – es ermöglicht auch eine Plattform für kritische Debatten.“

Zukunftsweisende Ansätze zur Wissens- und Kulturvermittlung an jüngere Zielgruppen

Um in Zeiten von künstlicher Intelligenz und Falschnachrichten sicherzustellen, dass auch künftige Generationen in einer informierten demokratischen Öffentlichkeit leben, hält Bildungsforscher Professor Kai Maaz eine angemessene Vielfalt an Bildungsprogrammen für unerlässlich. "Die Gesellschaft wird vielfältiger, die Rahmenbedingungen des Lernens und Erfahrens ändern sich in einer noch nie dagewesenen Art und Geschwindigkeit. Fernsehen kann, wenn man das will, auch ein niedrigschwelliges und verlässliches Bildungsangebot sein. Aber dafür braucht es Programmvielfalt, Kontinuität und Flexibilität in den Programminhalten und -darbietungen", so der Geschäftsführende Direktor des DIPF.

Zu einer ähnlichen Perspektive kommt auch Kulturanthropologe Professor Gunther Hirschfelder, der die zeitgemäße Kulturvermittlung mit der Entwicklung von Ernährungstrends vergleicht. Für 3sat in Deutschland, der Schweiz und Österreich wünscht er sich neben traditionellen Angeboten eine stärkere Berücksichtigung im Trend liegender Nutzerbedürfnisse: "Haxe, Rösti und Palatschinken war gestern, und 3sat in Zukunft, das ist street food und detox, Sushi und Bowl – und vor allem lecker."

von links nach rechts: Prof. Dr. Gunther Hirschfelder, Prof. Dr. Martin Andree, Cécile Schortmann, Elena Kountidou und Prof. Dr. Kai Maaz waren als externe Gäste beim 3sat-Gremientreffen vor Ort

von links nach rechts: Prof. Dr. Gunther Hirschfelder, Prof. Dr. Martin Andree, Cécile Schortmann, Elena Kountidou und Prof. Dr. Kai Maaz waren als externe Gäste beim 3sat-Gremientreffen vor Ort (Bild: /Thomas Ernst)

8.11.2024