Die GVK nimmt die Gelegenheit gerne wahr, zum Vorschlag der Rundfunkkommission für einen "Medienstaatsvertrag" Stellung zu nehmen. Die GVK befasst sich regelmäßig mit den einschlägigen Entwicklungen auf deutscher und europäischer Ebene und hat bereits mehrfach den dringenden Handlungsbedarf für eine Regulierung audiovisueller Plattformen und Benutzeroberflächen festgestellt und eine zügige Anpassung des bestehenden Regelwerks an die technische Entwicklung und das damit einhergehende Nutzerverhalten gefordert (siehe gemeinsame Pressemitteilungen mit der GVK der ALM vom 22.10.15 und vom 27.10.16).
Mit der Einigung auf die Novelle der AVMD-Richtlinie haben die europäischen Ko-Gesetzgeber Regeln zur Auffindbarkeit bestimmter Dienste und zum Signalschutz in das mediensektorspezifische europäische Recht integriert. Dies begrüßt die GVK ausdrücklich. Angesichts der stark zunehmenden Bedeutung von Plattformen und Intermediären bei der Auswahlentscheidung der Nutzerinnen und Nutzer ist nun jedoch die zügige Anpassung der Bestimmungen zur Plattformregulierung auch auf nationaler Ebene dringend geboten. Insofern begrüßt die GVK die Initiative der Länder und die Vorlage des hier zugrundeliegenden Regelungsentwurfs.
Bei der Regulierung von Fragen mit Auswirkung auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist immer maßgeblich dessen verfassungsrechtliche Rolle mitsamt Konkretisierung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu beachten. So wurde zuletzt im BVerfG-Urteil vom 18.7.18 zum Rundfunkbeitrag hervorgehoben, dass die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Vielfaltssicherung und Meinungsbildung im digitalen Zeitalter wächst. Ein möglichst einfacher Zugang zu den öffentlich-rechtlichen Angeboten, deren privilegierte Auffindbarkeit und der Integritätsschutz der Inhalte folgen konsequent dem hohen Rang und dem besonderen Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem Grundgesetz.
Zentrales Ziel der Fortentwicklung der Plattformregulierung im Rundfunkstaatsvertrag muss es aus Sicht der GVK sein, der Funktion und Bedeutung von Plattformen und Benutzeroberflächen zur Sicherung der Meinungs- und Angebotsvielfalt gerecht zu werden sowie die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Zugang, Auffindbarkeit und Signalintegrität zu schaffen. Da Medienplattformen und Benutzeroberflächen in der digitalen Mediennutzung für Auswahlprozesse von Medieninhalten relevante Gatekeeper zwischen Angeboten und Nutzern darstellen, sind diskriminierungsfreier Zugang und diskriminierungsfreie Auffindbarkeit sowie klare Vorgaben zur Transparenz ebenso Grundlage für die Wahrung der Nutzerautonomie. Für die GVK stellen insofern die Kriterien „must carry“ und „must be found“ wesentliche Maßstäbe zur Bewertung der Regelungen im „Medienstaatsvertrag“ dar. Erforderlich sind bei „must carry“-Regelungen aus Sicht der GVK insbesondere Klarstellungen zur entgeltfreien Übertragungspflicht öffentlich-rechtlicher Angebote.
Aus Sicht der GVK ist zu vermerken, dass für Medienplattformen und Benutzeroberflächen, die vorwiegend Rundfunk- und rundfunkähnliche Telemedien bzw. audiovisuelle Mediendienste zu einem Gesamtangebot aggregieren (in Abgrenzung zu Intermediären), eine eigens medienspezifische Regulierung vorgenommen wird und hierfür in der Neufassung der staatsvertraglichen Bestimmungen zeitgemäße und technologieneutrale Definitionen gefunden wurden. So wie in der novellierten AVMD-Richtlinie ist es auch im vorliegenden Entwurf zum „Medienstaatsvertrag“ bei der Unterscheidung zwischen Rundfunk und Telemedien geblieben. Das diesem Rundfunkbegriff zugrundeliegende Verständnis von Mediennutzung ist aus Sicht der GVK mit Blick auf die neuen informationstechnologischen und medienökonomischen Entwicklungen nicht mehr hinreichend zeitgemäß.
Die GVK begrüßt die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Bestimmungen zur Plattformregulierung auf alle Medienplattformen und Benutzeroberflächen, die für den deutschen Markt bestimmt sind. Vor dem Hintergrund zunehmender Konvergenz ist es längst notwendig, für alle Plattformen, die den Nutzern für die Meinungsbildung zur Verfügung stehen, eine einheitliche Regulierungsgrundlage zu schaffen. Die vorgesehene abgestufte Regulierung nach Maßgabe der Gefährdung für die Meinungsvielfalt erachtet die GVK als grundsätzlich sinnvoll.
1. Rundfunkähnliche Telemedien
(§ 2 Abs. 2 Nr. 12 RStV-Entwurf)
Der Gesetzgeber führt den Begriff „rundfunkähnliche Telemedien“ ein und ersetzt damit den Begriff der „vergleichbaren Telemedien“. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff birgt aus Sicht der GVK – wie schon der Begriff „Presseähnlichkeit“ – die Gefahr, in der Rechtsanwendung neue Konflikte zu schaffen.
2. Belegung von Medienplattformen
(§ 52 b Abs. 2 Nr. 1 a) RStV-Entwurf)
Die GVK lehnt die Einschränkung für die Dritten Fernsehprogramme, die nur noch eine „must carry“-Regelung für ihr jeweiliges Sendegebiet erhalten sollen, ab. Diese Begrenzung ist unter den Gesichtspunkten der Meinungs-, Informations- und Vielfaltssicherung nicht akzeptabel und widerspricht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.18. Die GVK fordert insofern, dass die Dritten Programme der ARD eine bundesweite Verbreitung finden.
3. Diskriminierungsfreier und chancengleicher Zugang und Auffindbarkeit
(§ 52 c Abs. 2 RStV-Entwurf)
Diskriminierungsfreier und chancengleicher Zugang zu Medienplattformen sowie diskriminierungsfreie und chancengleiche Auffindbarkeit von gleichartigen Angeboten und Inhalten auf Benutzeroberflächen müssen aus Sicht der GVK Grundlage einer modernen Plattformregulierung sein. Die GVK begrüßt insofern die im Beteiligungsverfahren vorgelegten Neuregelungen im Staatsvertragsentwurf. Die maßgeblichen Kriterien sollten aus Sicht der GVK gesetzlich und nicht auf Ebene von Satzungen bzw. Richtlinien durch die Medienanstalten konkretisiert werden.
4. Privilegierte Auffindbarkeit von gesellschaftlich relevanten Inhalten
(§ 52 e Abs. 3 RStV-Entwurf)
Die GVK bewertet insbesondere die privilegierte Auffindbarkeit für die gesetzlich bestimmten öffentlich-rechtlichen Programmangebote und rundfunkähnliche Telemedien positiv. Die privilegierte Auffindbarkeit für Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird dem Beitrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Meinungsvielfalt und der besonderen Rolle gerecht, die er im Meinungsbildungsprozess einnimmt.
5. Signalintegrität
(§ 52 a Abs. 3 RStV-Entwurf)
Der Entwurf zum Rundfunkstaatvertrag enthält weitreichende Regelungen zur Wahrung der Signal- und Inhalteintegrität. Die Erforderlichkeit einer Einwilligung der Anbieter von Rundfunkprogrammen und rundfunkähnlicher Telemedien bei inhaltlichen oder technischen Veränderungen ihrer Angebote, bei Überblendungen mit bestimmten Inhalten sowie bei Skalierungen hält die GVK für sinnvoll und notwendig. Begründete Ausnahmen bestehen lediglich, wenn der Nutzer Skalierungen im Einzelfall selbst initiiert.
6. Transparenz
(§ 52 f RStV-Entwurf)
Die vorgesehenen Transparenzanforderungen sind insbesondere im Sinne der Stärkung der Nutzerautonomie zu begrüßen. Für die selbstbestimmte Auswahlentscheidung der Nutzer ist es unabdingbar, ihnen Informationen zu Kriterien, nach denen Inhalte sortiert, angeordnet und abgebildet werden, Kriterien für Empfehlungen und ggf. Veränderungen der ursprünglichen Form von Inhalten in leicht erkennbarer, unmittelbar erreichbarer und ständig verfügbarer Weise anzubieten.