von Stefan Frerichs
Wikipedia ist eine freie Internet-Enzyklopädie, deren Inhalte von den Nutzerinnen und Nutzern nicht nur gelesen, sondern auch online direkt bearbeitet werden können. Ziel ist es, in zahlreichen Sprachen eine frei lizenzierte und qualitativ hochwertige Enzyklopädie zu schaffen und weiter zu entwickeln. Der Name "Wikipedia" setzt sich aus dem hawaiischen Wort "wiki" für "schnell" und dem englischen Wort "Encyclopedia" für "Lexikon" zusammen. Die Artikel werden von meist einzeln arbeitenden Autorinnen und Autoren unentgeltlich geschrieben und nach der Veröffentlichung gemeinschaftlich korrigiert, erweitert und aktualisiert.
Die Online-Enzyklopädie Wikipedia hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 2001 zu einer der wichtigsten Informationsquellen im Internet entwickelt. Wikipedia gehört zu den zehn weltweit am meisten besuchten Websites. Die Zahl der Artikel ist in der englischsprachigen Wikipedia inzwischen auf mehr als sechs Millionen angewachsen, die Anzahl der deutschsprachigen Artikel auf über 2,5 Millionen. Allein die deutschsprachige Wikipedia hat pro Tag rund 30 Millionen Seitenaufrufe.
Aber kann man den Informationen bei Wikipedia überhaupt vertrauen? Schließlich wurden verschiedene Fälle bekannt, in denen bei Wikipedia absichtlich eingefügte oder unbeabsichtigte Fehler entdeckt wurden. So enthielt 2005/2006 der Artikel über das Terrornetzwerk Al-Qaida die Angabe, für den Begriff sei das Wort "Kindertöpfchen" eine zulässige Übersetzungsvariante. 2009 schmuggelte ein Nutzer in den Wikipedia-Artikel des neu ernannten Bundeswirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg einen falschen Vornamen hinein, der von verschiedenen Medien übernommen wurde. Und 2012 wurde ein bereits seit fünf Jahren bestehender Artikel über einen angeblichen "Bicholim-Konflikt" in Indien im 17. Jahrhundert als frei erfunden entlarvt.
Gerade weil alle Internetnutzerinnen und -nutzer die Inhalte verändern können, sollte man die Informationen bei Wikipedia immer kritisch betrachten. Letztlich können Leserinnen und Leser nie sicher sein, ob die Angaben von Fachleuten oder Spaßvögeln stammen. Außerdem versuchen immer wieder unterschiedliche Interessengruppen, ihre Sicht der Dinge bei Wikipedia zu platzieren. So wurden von 2003 bis 2005 zahlreiche marxistisch-leninistisch geprägte Artikel zu philosophischen Themen angelegt, deren Texte aus DDR-Lexika stammten. 2005 versuchten Nutzer/-innen, die Artikel über die beiden Spitzenkandidaten im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf, Peer Steinbrück (SPD) und Jürgen Rüttgers (CDU), zu manipulieren. Auch Unternehmen wurden wiederholt dabei ertappt, als sie Wikipedia-Artikel über ihre Produkte oder Vorstandsmitglieder/-innen schönschrieben.
Kritikerinnen und Kritiker bemängeln auch, dass bei Wikipedia ein von Männern dominiertes Weltbild vorherrsche, das größtenteils durch ereignisgeschichtliche, naturwissenschaftliche und technische Sichtweisen geprägt sei. Tatsächlich sind mehr als 85 Prozent der Autoren männlich, bei den besonders aktiven Wikipedianern/-innen ist der Anteil noch höher. Außerdem wird kritisiert, dass Artikel zu "trivialen" Themen wie Fernsehserien, Popkultur oder Science-Fiction bei Wikipedia übermäßig zahlreich und ausführlich zu finden seien. Das liegt daran, dass die Autoreninnen und Autoren bevorzugt über Themen schreiben, die sie interessieren - populäre Themen schlagen sich entsprechend in vielen und langen Artikeln nieder.
Alle diese Gesichtspunkte sollte man im Hinterkopf haben, um die Informationen bei Wikipedia zu beurteilen. Bei einfachen Fragestellungen ist Wikipedia sehr zuverlässig - wenn man zum Beispiel das Geburtsdatum einer Persönlichkeit nachschlagen möchte oder die Hauptstadt eines Landes. Bei komplexeren Fragen sollte Wikipedia jedoch nur als erster Überblick dienen und Ausgangspunkt für weitere Recherchen sein. Hierfür sind die Literaturangaben, Verlinkungen und Fußnoten am Ende jedes Artikels meist sehr hilfreich. Nützliche Tipps hat auch die "Tour für Leser" von Wikipedia.
Manchmal lohnt es sich auch, einen Blick auf die Diskussionsseite oder in die Versionsgeschichte eines Wikipedia-Artikels zu werfen. Dort kann man nachlesen, über welche Gesichtspunkte eines Artikels diskutiert wird und welche Änderungen an ihm vorgenommen wurden. Beide Funktionen sind über entsprechende Links am Kopf jedes Artikels erreichbar. Über die Versionsgeschichte kann man auch herausfinden, unter welchem Benutzernamen ein Artikel ursprünglich angelegt wurde und welche Autoreninnen und Autoren an ihm hauptsächlich arbeiten. Häufig stellen sich die Autoren/-innen auf ihren Benutzerseiten auch kurz vor, was auch Rückschlüsse auf ihre Interessen und Qualifikationen zulässt.
Schattenriss zweier Hände vor einer Wikipedia-Seite (Bild: picture-alliance/dpa)
Wikipedia wird von der Wikimedia Foundation, Inc. betrieben - einer gemeinnützigen, nichtstaatlichen Stiftung mit Sitz in San Francisco. Daneben gibt es in vielen Staaten auch noch nationale Organisationen, wie den Verein Wikimedia Deutschland e.V., die die Projekte der Wikimedia Foundation unterstützen. Das Besondere an Wikipedia und anderen Wikimedia-Projekten (wie dem Wörterbuch Wiktionary, der Lernmaterial-Sammlung Wikibooks und der Zitatesammlung Wikiquote) ist, dass alle Internetnutzerinnen und -nutzer darin nicht nur lesen, sondern auch als Autoreninnen und Autoren mitwirken kann.
Die Artikel bei Wikipedia werden meist von einzeln arbeitenden Autoreninnen und Autoren (seltener von Gruppen von Wikipedianern) geschrieben – und nach der Veröffentlichung gemeinschaftlich korrigiert, erweitert und aktualisiert. Für Menschen, die gerne recherchieren und Sachtexte schreiben, kann eine Mitarbeit an der Online-Enzyklopädie also ein interessantes Hobby sein. Grundsätzlich kann jeder bei Wikipedia mitmachen, der die Rechtschreibung beherrscht und die grundlegenden Richtlinien einhält. Wichtig sind unter anderem ein neutraler und sachlichen Schreibstil sowie Quellenangaben für alle Informationen.
Wer bei Wikipedia mitarbeiten möchte, sollte einiges beachten. Selbstverständlich kann man auch einfach als nicht angemeldeter Nutzerin oder Nutzer in Artikeln kleinere Fehler korrigieren, ganze Abschnitte überarbeiten und sogar neue Artikel anlegen. Wirklich mitmachen kann aber erst, wer sich ein eigenes Benutzerkonto anlegt und damit als Benutzer/-in bei Wikipedia anmeldet. Das ist völlig anonym mit Spitzname und ohne E-Mail-Adresse möglich. Angemeldete Nutzer/-innen erhalten zusätzliche Bearbeitungsmöglichkeiten, wie Bilder in Wikipedia einzubinden oder Artikel zu verschieben.
Nutzerinnen und Nutzer, die sich bei Wikipedia namentlich anmelden, erhalten eine Benutzerseite, auf der sie sich und ihre Arbeit bei Wikipedia vorstellen können. Dort lassen sich auch die Einstellungen des Wikipedia-Kontos ändern, wie das Aussehen der Benutzeroberfläche oder das Passwort. Außerdem kann man eine Beobachtungsliste für Artikel anlegen, um über Veränderungen dort informiert zu werden. Autoreninnen und Autoren sollten die Benutzerseite nutzen, um sich kurz vorzustellen sowie ihre Interessen und Qualifikationen zu beschreiben. Selbst wer anonym bleibt, trägt so zum Vertrauen bei Leser/-innen und anderen Autor/-innen bei.
Nach ihrer Anmeldung sollten neue Wikipedia-Mitarbeiter/-innen unbedingt die Anleitung "Erste Schritte" lesen und das "Tutorial für Autoren/-innen". Beides befindet sich im Autorenportal, das über die Rubrik "Mitmachen" in der linken Spalte von Wikipedia zu erreichen ist. Wenn Neue gern persönliche Ansprechpartner/-innen für Fragen haben möchten, kann auch das Mentorenprogramm von Wikipedia nutzen. Dann bekommt man Kontakt zu erfahrenen Wikipedianer/-innen, die einem in den ersten Wochen bei der Mitarbeit in der Online-Enzyklopädie begleitet. Dadurch können neue Autoren/-innen typische Anfänger/-innenfehler und unnötige Frustrationen leichter vermeiden.
Die Themen, zu denen man bei Wikipedia arbeitet, richten sich natürlich meist nach den eigenen Interessen und Kenntnissen. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, auch einmal einen Blick in die Themenportale von Wikipedia zu werfen. Diese Portale sind nicht nur nach Wissensgebieten, wie Geschichte, Naturwissenschaften oder Sport geordnet, sondern auch nach Regionen. Dadurch kann man Themen über die eigene Heimatstadt oder -region ausfindig machen, was den Einstieg oft erleichtert. In den Themenportalen stehen meist auch Listen von (noch) fehlenden Artikeln, für die bei Wikipedia ein Bedarf erkannt wurde. Daneben gibt es auch zahlreichen WikiProjekte, wie zur Georeferenzierung oder Qualitätssicherung von Artikeln.
Durch die Mitarbeit in Portalen und Projekten können neue Autoreninnen und Autoren schnell mit anderen in Kontakt kommen. Für manche Portale organisieren die Autoren/-innen sogar regelmäßige Treffen, so dass man die Menschen hinter den anonymen Benutzernamen persönlich kennenlernen kann. Wenngleich die meisten Wikipedianerer/-innen freundlich sind, sollten Neulinge darauf vorbereitet sein, dass bei Wikipedia manchmal ein rauher Ton herrscht. Auf den Diskussionsseiten geht es oft heiß her, und vor allem unerfahrene Autoren/-innen müssen damit rechnen, dass neu angelegte Artikel wieder gelöscht oder Änderungen wieder rückgängig gemacht werden. Wer Kritik nicht persönlich nimmt, sich von Rückschlägen nicht abschrecken lässt und ansonsten die Wikipedia-Richtlinien beachtet, wird aber bei der Online-Enzyklopädie ein interessantes Hobby finden.
Stefan Frerichs arbeitet seit 2006 in seiner Freizeit an der deutschsprachigen Wikipedia mit. Seither hat er dort mehr als 150 Artikel neu angelegt, zahlreiche Bilder oder Grafiken hochgeladen und unzählige Bearbeitungen an schon vorhandenen Artikeln vorgenommen.
24.2.2022