Zwischenruf zum Arbeitspapier der Otto-Brenner-Stiftung (OBS) über die "Zusammensetzung und Arbeitsweise der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgremien"

Die Studie kritisiert zurecht die durchaus ausbaufähige Bekanntheit der Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Schon allein deshalb ist die Veröffentlichung zu begrüßen. Sie führt zu Medienberichterstattung und zu Diskussionen auch über den inner circle der medienpolitisch Engagierten und Betroffenen hinaus. Außerdem enthält sie wertvolle Anregungen für weitere Reformen zur Stärkung der Aufsicht. Bei allem Nutzeffekt und trotz des erkennbar konstruktiven Bemühens hat das OBS-Arbeitspapier aber auch Schwächen in Theorie und Empirie. Einigen von ihnen soll im Folgenden ebenfalls im Sinne eines kritisch-konstruktiven Austauschs nachgegangen werden.

Wissenschaftliche Untersuchungen beginnen gewöhnlich mit einem theoretischen Aufschlag, warum die nachfolgend präsentierten Daten relevant sind, wie die gewählten Variablen miteinander korrelieren oder aufeinander wirken und wie die empirischen Ergebnisse zu interpretieren sind. Der Autor der OBS-Studie Peter Stawowy stellt fest, dass sich der Politikeinfluss (Variable a) auf die Gremienarbeit (Variable b) nach seiner "neuen Zählweise" "dramatisch" ändere und damit über dem Drittel, also 33%, liege, "welches das BVerfG-Urteil verlangt" (S. 34). Im Durchschnitt aller Rundfunkräte (Hörfunkrat des DLR und Fernsehrat des ZDF eingeschlossen) besäßen nämlich nachweisbar 41% ihrer Mitglieder ein Parteibuch. Ob acht Prozentpunkte ein generalisierendes "dramatisch" rechtfertigen, sei dahingestellt. In einzelnen Räten ist der Anteil nach "neuer Zählweise" allerdings deutlich höher. Spitzenreiter sind danach DLR mit 56% und ZDF mit 60%. Mindestens unterschwellig geht der Autor obendrein von einer Dunkelziffer aus.

Die "bisherige Zählweise" ist die des Bundesverfassungsgerichts. Danach dürfen nicht mehr als ein Drittel der Gremienmitglieder von staatlichen Organen oder Parteien entsendet werden. Diese unbestreitbar sinnvolle Vorgabe wird, so ermittelt auch Stawowy, in den Rundfunkräten aller Landesrundfunkanstalten und im Fernsehrat des ZDF eingehalten. Mithin sorgen Bürger:innen, die von den sogenannten gesellschaftlich relevanten Gruppen entsendet werden und als Privatleute auch Mitglied einer Partei sind, für das kritisch aufgespießte und von manchem Printmedium umgehend unkritisch aufgegriffene Problem. Doch hier wirkt sich der Theoriemangel des Arbeitspapiers aus.

Stawowy übersieht eine dritte Variable, die höchstwahrscheinlich auf die Variablen a und b gleichermaßen einwirkt. Das sind je individuelle Einstellungen und Überzeugungen und die Bereitschaft, sich für öffentliche Belange und Gemeinschaftsangelegenheiten zu engagieren. Wer sich beispielsweise für soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz oder das Wohlergehen der Ernährungswirtschaft einsetzt und dafür auch Freizeit opfert, ist wahrscheinlich eher geneigt, sich in der repräsentativen Demokratie auch in einer Partei zu organisieren und umgekehrt. Eher jedenfalls als Mitbürger:innen, bei denen "der sechste, soziale Sinn", der "Gemeinsinn" (Alida und Jan Assmann) schwächer ausgeprägt ist. Dass es auch Parteimitgliedschaften aus Karrierekalkül gibt, soll damit nicht geleugnet werden.

Wird aber ein von einer Umweltschutzorganisation entsandtes Rundfunkratsmitglied zu einem "OBS-Verdachtsfall" (vgl. S. 43), wenn es naheliegender Weise einmal den Grünen beigetreten ist? Gilt das auch für einen Gewerkschaftssekretär, dem im Allgemeinen mindestens eine Nähe zur SPD oder zur Linken nachgesagt wird? Oder für den Vertreter eines Bauernverbands, von dem man nach landläufiger Erfahrung eine CDU- oder CSU-Mitgliedschaft erwartet? Ist es nicht vielleicht sogar umgekehrt so, dass ein Umweltschützer, ein Gewerkschafter oder ein Bauernfunktionär seine Partei mit seinen Ansichten und Interessen nervt, statt dass er sich von seiner Partei instrumentalisieren ließe? Für Funktionsträgerinnen in Verbänden und Vereinen dürfte Gleiches gelten.

Für eine fundierte Kritik wäre es wichtig, das Rollenverständnis der Gremienmitglieder empirisch zu erheben, was aber die Studie nicht leistet. Für das Rollenverständnis gibt es, wie auch Stawowy erwähnt, rechtliche Vorgaben. So verlangt beispielsweise das Radio Bremen-Gesetz (RBG) von allen Entsendungsorganisationen, dass die von ihnen Ausgewählten dem folgenden Anspruch gerecht werden: "Die Mitglieder des Rundfunkrats vertreten die Interessen der Allgemeinheit (und nicht ihrer Organisation, KS) im Hinblick auf die Anstalt. Der Rundfunkrat trägt der Vielfalt der Meinungen in der Bevölkerung Rechnung" (§ 9 Abs. 1 RBG). Im Ergebnis können sie das wohl nur kollektiv schaffen, indem sie miteinander debattieren und um Objektivierung ringen - in einem plural zusammengesetzten Gremium nur durch demokratische Tugenden wie Toleranz, Bereitschaft zu Zugeständnissen, Kompromissfähigkeit und letztlich auch Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen.

Das bezieht die Mitglieder von der sogenannten Staatsbank durchaus mit ein. Selbst den von Parteien entsandten Räten sollte man nicht ohne empirischen Befund unterstellen, dass sie auf dem Weg ins Gremium gewissermaßen ihre lockere Zivilkleidung an den Haken hängen und als stramme Parteisoldaten den Sitzungssaal betreten. Auch das Propagieren solcherart fast schon verschwörungstheoretisch anmutender Vorstellungen dürfte zum langfristigen Trend des Mitgliederschwunds in Parteien beitragen, denen doch in unserer repräsentativen Demokratie gemäß Artikel 21 Grundgesetz eine bedeutende Funktion bei der Willensbildung zukommt. Gewiss, Übertreibungen und Anmaßungen mussten zurückgedrängt werden, wie z.B. mit dem BVerfG-Urteil zur Ein-Drittel-Quotierung der „Staatsbank“ in Rundfunkräten geschehen. Es gibt aber eine riskante Neigung, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Repräsentationslücken werden nicht automatisch durch mehr Partizipation geschlossen, warnen Politikwissenschaftler. Dann drohe vielmehr eine "Partizipationsaristokratie", bestehend aus "akademisch ausgebildeten, sozioökonomisch bessergestellten Bürgergruppen mit dem Selbstbild eines Bürgers, der besser sei als die normale Wahlbürgerschaft" (Selk, Demokratiedämmerung, S. 142f). Und deren Hang zu eigenem Schultern einer längeren Amtsbürde quer durch die Niederungen der administrativen Ebene ist wenig ausgeprägt im Vergleich zu ihrer Neigung zur Kritik an Amtsinhaber:innen. Das womögliche Pendant zu dieser Erscheinungsform der "Demokratiedämmerung" ist der Populismus (vgl. Selk, 146ff.).

Im Übrigen fällt es durchaus nicht jeder Organisation leicht, überhaupt Mitglieder zu finden, die in einen Rundfunkrat gehen wollen. Und schon ist man wieder bei den ohnehin Gemeinsinn-Orientierten mit einem sozusagen erhöhten Risiko einer Parteimitgliedschaft. Auch auf eine Ausschreibung von Positionen im Verwaltungsrat folgt nicht gerade eine Bewerberschwemme. Wer immer für die Besetzung Verantwortung trägt, muss sich nur zu oft auf die Suche machen, insbesondere seit es immer mehr – berechtigte - gesetzliche Vorgaben für verschiedene Qualifikationen gibt. Was spricht eigentlich dagegen, dass formal geeignete Verwaltungsräte langjährige Erfahrung im Umgang mit öffentlichen Geldern oder in der Anwendung öffentlichen Rechts oder generell mit Gremienarbeit haben? Beeinträchtigt politische Erfahrung wirklich die Entscheidungsfindung und die Qualität ihrer Resultate?

Aus diesen Überlegungen heraus hier der Appell an Gremienmitglieder, Kritik an den Gremien nicht persönlich zu nehmen! Diesen Punkt macht immerhin dankenswerter Weise auch Peter Stawowy nicht nur einmal. Zuständig für die Zusammensetzung insbesondere der Rundfunkräte sind die demokratisch gewählten Landesparlamente. Aber wie sollen sie ganz praktisch den von Stawowy festgestellten "erheblichen Nachbesserungsbedarf" (S. 44) erfüllen hinsichtlich der Zusammensetzung der Gremien mit ihrem als zu hoch bewerteten Anteil von Parteimitgliedern? Mit einer gesetzlichen Regelung à la: "Von den gesellschaftlich relevanten Gruppen in den Rundfunkrat entsandte Mitglieder versichern an Eides statt, dass sie keiner Partei angehören"? Viel Vergnügen vorm Bundesverfassungsgericht!

Was auf Seiten der Medienwissenschaft fehlt, ist eine Theorie gelingender Repräsentation der Beitragszahler:innen in den Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Jedenfalls ist mir noch keine untergekommen, auch nicht bei der Lektüre des OBS-Arbeitspapiers. Kritisiert werden einmal mehr Defizite, nur selten wird dabei Bezug genommen auf einen wie auch immer geeigneten Maßstab, wie z.B. auf den Bevölkerungsanteil von Menschen mit Migrationshintergrund. Die Aufgabe wäre, mit Blick auf ein Gremium mit begrenzter Mitgliederzahl ein gerechtes Repräsentationsmodell der Gesamtbevölkerung eines jeweiligen Sendegebiets plausibel zu machen, in dem also tatsächlich die „Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen“ (BVerfG 1961) mit Begründung ihrer Bedeutsamkeit in jeweils angemessener Repräsentanz vorkommen.

Ein praktischer Schritt in die richtige Richtung könnte sein, dass das Bremer Modell weiter Schule macht, nach dem Bürger:innen sich auf ausgeschriebene Sitze im Rundfunkrat bewerben und von einem Parlamentsausschuss gewählt werden können. So sieht auch der neue SWR-Staatsvertrag in § 14 Abs. 9 die Wahl von Mitgliedern aus der Mitte der Gesellschaft der beteiligten Bundesländer durch Fachausschüsse der jeweiligen Landtage vor. Bewerben können sich 18- bis 25-Jährige, zudem ein begrüßenswerter Ansatz, die Altersmischung im Rundfunkrat zu verbessern.

Gut qualifiziert besetzte hauptamtliche Gremiengeschäftsstellen sind zudem eine wertvolle Hilfe für die Ehrenamtlichen, die "Interessen der Allgemeinheit im Hinblick auf die Anstalt" zu vertreten. Dem tragen inzwischen der Medienstaatsvertrag und einzelne Rundfunkgesetze Rechnung, indem sie dort samt angemessener Ausstattung vorgeschrieben werden. Die Geschäftsstelle der Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD (GVK) macht seit dem vergangenen Jahr den Rundfunk- und Verwaltungsräten eine stetig wachsende Zahl von Fortbildungsangeboten zu komplexen Aufsichtsthemen und trägt so zur fachlichen Qualifizierung auch der Ehrenamtlichen bei.

Es gibt mithin viel Bewegung zum Besseren, für alle Ansätze und vor allem für eine ausgearbeitete Theorie gelingender Repräsentation ist hier nicht der Platz, wohl aber noch für einige Anmerkungen und ab Punkt 3 auch Richtigstellungen:

1. Die Einschätzung des Autors, dass die im 3. und 4. Medienänderungsstaatsvertrag vollzogene Aufwertung der Gremienkontrolle durch die Schaffung eines Medienrats wieder entwertet werde, überzeugt nicht. Die Gremien der einzelnen Rundfunkanstalten haben die Auftragserfüllung durch ihren jeweiligen Sender zu überwachen. Kein einzelnes Gremium ist dazu befugt, die Auftragserfüllung durch das Gesamtsystem zu kontrollieren. Da es aus ZDF, DLR und ARD (mit neun Landesrundfunkanstalten und Deutscher Welle) besteht, kann und darf das nicht einmal eine im Reformstaatsvertrag neu als Aufsicht konzipierte GVK, künftig Gremienvertreterkonferenz der ARD. Der Medienrat soll daher Medienpolitik und Öffentlichkeit gleichsam den Helikopterblick ermöglichen. Dafür braucht er wiederum die Zulieferungen von den Organen aller Anstalten.

2. Thema Transparenz: Stawowy kritisiert: "Es ist offenbar weit verbreitet, die eigene Parteizugehörigkeit nicht zu nennen" (S. 65). Bei beispielhaft angeführten hochrangigen Ex-Politikern ist dies in der Tat seltsam, mag aber auch an der Selbsteinschätzung liegen, dass man ohnehin bekannt sei wie der sprichwörtliche bunte Hund. Privatleute, die nicht von einer Partei irgendwohin geschickt werden, haben allemal das Recht – aus welchen Gründen auch immer – ihre Parteimitgliedschaft als Privatsache zu behandeln und z.B. nicht an der Arbeitsstelle oder in der Nachbarschaft thematisieren zu wollen. Warum sollte ausgerechnet dieses Recht in unserer hochsensiblen Datenschutzgesellschaft außer Kraft gesetzt werden, zumal es auch gern so genannte Karteileichen träfe? Das würde nur die Hürden erhöhen, auch zukünftig neue Mitglieder zu finden.
Stawowy meint außerdem, "der Live-Stream der Rundfunkratssitzungen sollte verpflichtend werden". Bei Radio Bremen wurde bislang aus zwei Gründen darauf verzichtet. Zum einen stehen die erwartbar noch geringeren Nutzungszahlen, als sie der Autor für einige andere Sender selbst angibt, kaum in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten. Auch die Gremien bemühen sich in der "neuntgrößten" Landesrundfunkanstalt um möglichst achtsame Schonung der Mittel für das Programm. Auf der Website ist vieles schnell nachzulesen. Und die persönliche Teilnahme an den öffentlichen Sitzungen ist ohnehin möglich, im kleinsten Bundesland sogar mit begrenztem Zeitaufwand, der das aufmerksame Verfolgen des Streamings kaum übersteigt.
Zum anderen haben gerade Mitglieder ohne politische Erfahrung ein Unbehagen an einer Übertragung ihrer Beiträge artikuliert - in Social-Media-Zeiten gleich gar, in denen absichtslos verunglückte Statements oder vermeintlich dumme Fragen auch mal viral gehen können. Das würde das sonstige Bemühen, gerade auch die Stilleren für die Beteiligung an Diskussionen oder auch für eine Mitgliedschaft im Rundfunkrat zu gewinnen, erschweren. Gewinnen würden wieder die geübten "Lautsprecher:innen", oft eben dank Engagement in einer politischen Partei gehärtet im "Stahlbad" des öffentlichen Lebens.
Die gut platzierte Teilnahme von Mitgliedern des Rundfunk- und des Verwaltungsrats am Tag der offenen Tür von Radio Bremen war im Übrigen ernüchternd – oder beruhigend. Ihre gepflegte Einsamkeit wurde einen ganzen Nachmittag lang lediglich durch fünf Fragende unterbrochen. Das Interesse gilt nun einmal mehr dem Programm und seinen Macher:innen als der Aufsicht – nicht nur bei Publikumsaktionen.
Es gehört zum Wesen der Repräsentation, dass Aufgaben auf Zeit mit einem gewissen Vertrauensvorschuss an ganz unterschiedliche Charaktere delegiert werden. So manche Beratung braucht auch in der Demokratie eine Atmosphäre, in der Offenheit und Selbstkorrektur nicht sanktioniert werden. Man messe die Repräsentant:innen am Ergebnis ihrer Arbeit.

3. Für die geforderten Fortbildungen habe es laut Stawowy im Herbst 2024 erstmals in größerem Umfang einen Testlauf gegeben. Diese ihm zugegangene Auskunft bezog sich aber allein auf Fortbildungen im Hinblick auf die Anwendung der Qualitätsrichtlinien, die erst da vorlagen. Dazu nur als Beispiel: Im RBG sind schon längst, seit 2016, zwei Fortbildungen (mit verschiedensten Themen) pro Jahr vorgeschrieben. Selbstverständlich werden sie auch durchgeführt.

4. Laut Stawowy gebe es Gremien, "in denen Vertreter*innen des Landtages ausschließlich beratende Funktion haben (Beispiel Radio Bremen)" (S. 14). Diese gibt es bei Radio Bremen aber nicht. Es gibt dagegen voll stimmberechtigte Mitglieder, die von einem – nein, nicht "Senatsausschuss" (S. 34), sondern – Ausschuss des Landtags, der Bremischen Bürgerschaft, gewählt werden, und zwar aufgrund eines öffentlich ausgeschriebenen Bewerbungsverfahrens, in dem bestimmte Kenntnisse, z.B. in Wirtschaftsprüfung oder Medienwissenschaft, nachgewiesen werden müssen. Auf S. 34 sind dies 6 von 66. Es sind aber 8 von 66, 4 ordentliche und vier stellvertretende von 33 ordentlichen und 33 stellvertretenden Mitgliedern. Und wenn wir schon einmal dabei sind: Sofern die Landesregierungen von Berlin oder Hamburg (wie in Bremen „Senat“ genannt) keine Ausschüsse bilden, die Rundfunkratsmitglieder wählen, was sie m.W. nicht tun, wiederholt sich der Fehler in Tabelle 8 auf S. 42, allerdings sind es da ebenso irrtümlich 7 Mitglieder.

5. Die Addition von ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern, zusammen 66, sorgt in drei weiteren Tabellen für Konfusion, in Tabelle 2 zudem verschärft durch einen Irrtum unter der Kategorie "Landtag". In der Rubrik "Staat" wären es bei Radio Bremen dort vier statt zwei Mitglieder. Um die "Politikbank" richtig auszuzählen, müsste der Autor unter "Landtag", wenn auch nicht ganz passend, die Mitglieder aufzählen, die von Parteien oder Wählergemeinschaften, die in der Bürgerschaft (Landtag) in Fraktionsstärke vertreten sind, entsendet werden (nach § 10 Abs. 1 Nr. 22). Das wären zurzeit nicht sechs, sondern zwölf Mitglieder (ordentlich und stellvertretend, realiter sind es 10, da Bündnis Deutschland das Entsenderecht bislang nicht wahrnimmt). Die in der Tabelle stehende Zahl 6 beruht wahrscheinlich auf einer Verwechslung mit den sachverständigen Bürger:innen, die – zu acht - vom Parlamentsausschuss gewählt werden. Der Irrtum hat zur Folge, dass die Summe unter "Politik gesamt" – ganz im Sinne der Kritik des Autors – höher sein müsste: nach bisheriger Zählweise 16 statt 8, nach neuer Zählweise 18 statt 10. Die Prozentzahlen steigen für Radio Bremen damit auf 18% bzw. 27%. Wenn nicht auch bei anderen Sendern vergleichbare Versehen passiert sind, steigt das Gesamtergebnis um jeweils zwei Prozentpunkte. In bisheriger Zählweise sind es 24%, in neuer 43%. In Tabelle 4 müssten je zwei Mitglieder für den DGB und die Journalistengewerkschaften gezählt werden, insgesamt vier und nicht drei. In Tabelle 6 müssten je zwei Mitglieder unter "Migrationshintergrund" und "Behinderung" aufgeführt sein statt nur je einem. Die Mitgliederzahlen für die Religionsgemeinschaften in Tabelle 5 sind korrekt wiedergegeben, vermutlich aufgrund göttlicher Fügung.

6. Nun kann man selbst zugunsten einer Studie, die ihre Argumentation auf Zählungen aufbaut, sagen: "Na komm, das sind doch Korinthen!". In Tabelle 10 findet sich jedoch ein Fehler, der Betroffenen womöglich unangenehm ist. Die Aufwandsentschädigung für Mitglieder des Rundfunkrats von Radio Bremen wird mit 312 Euro monatlich vermerkt. Dabei handelt es sich aber um eine jährliche Zahlung, die irgendwann einmal als Ersatz für die vorherige Gestellung eines – früher teuren – Videorecorders eingeführt wurde. Rechnet man die jährliche Zahlung von gegenwärtig 311,60 Euro auf die Monate um, so kommen dabei höchst bescheidene 25,97 Euro heraus.

Abschließend soll gar nicht bestritten werden, dass es in dem OBS-Arbeitspapier auch einige berechtigte Kritik und einige diskutable Reformvorschläge gibt. Manche sind durch den Entwurf des Reformstaatsvertrags schon überholt. Manche erfordern einen Aufwand, den man sich gut überlegen muss - finanziell, aber vor allem in Form von zeitlichen Ansprüchen an die ehrenamtlich tätigen Gremienmitglieder. Deren Möglichkeiten sind auf Kante genäht, es sei denn, man möchte noch mehr Ruheständler haben oder Verbands- und Kirchenfunktionärinnen, bei denen das Gremien-Engagement zur Stellenbeschreibung gehört. Die Alternative ist aus meiner Sicht nicht Hauptamtlichkeit, sondern Realismus. Womöglich gibt es Zwischenlösungen; der RBB probiert bezahlte Nebentätigkeit im Verwaltungsrat. Die durch pauschale Gremienkritik und Parteienschelte genährte Vorstellung, aus dem Medienrat könnte oder sollte sich, u.U. vereint mit der Kommission für die Ermittlung des Finanzbedarfs KEF, dereinst eine Medienaufsichtsbehörde entwickeln, bereitet mir eher Sorgen. Da wäre nach meinem Dafürhalten eine ehrenamtliche Aufsicht mit ihrem stetigen Optimierungsbedarf immer noch besser im Sinne der Rundfunkfreiheit.

Die GVK hat den Bedarf erkannt und einen Public Corporate Governance Kodex für die ARD angestoßen, dessen Entwurf inzwischen weit gediehen ist. Darin werden so gut wie alle Fragen von Unabhängigkeit und Compliance, Transparenz und Aufsichtseffizienz systematisch behandelt. Der Reformstaatsvertrag würdigt diese Initiative und schreibt einen solchen Kodex für den ganzen öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor. Fortschritte gibt es auf Gemeinschaftsebene auch in Sachen Transparenz. So ermöglicht die GVK-Geschäftsstelle seit einiger Zeit mit ihrem Newsletter regelmäßig Einblicke in vielfältige Aspekte der Gremienarbeit und setzt sich verstärkt für einen aktiven Publikumsdialog bei Branchenevents ein.

"Transparenzhinweis"

Seit meinem Studium der Politikwissenschaft in Münster habe ich gerne Zeit darauf verwendet, meine erkenntnistheoretische und meine methodologische Position immer weiter zu entwickeln, auch wenn der Alltag durch schnöderen Broterwerb bestimmt war. Zum einen würde ich mich demzufolge als Anhänger des „realistischen Konstruktivismus“ betrachten, wie ihn besonders der Bremer Hirnforscher Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth vertreten hat, mit dem ich zu seinen Lebzeiten einige Projekte realisieren konnte. Zum anderen würde ich mich als „Jünger“ von Sir Karl bezeichnen, als an Empirie orientierten kritischen Rationalisten, eben im Gefolge Poppers. Diese Orientierung bestimmt mein Denken und vermutlich auch Handeln mehr als alles andere und war der Hauptantrieb dafür, mich mit der OBS-Studie kritisch auseinanderzusetzen und mir das sonnige erste Märzwochenende dafür ans Bein zu binden. Nur ganz wenig speist sich die Motivation daraus, dass ich im Rundfunkrat von Radio Bremen als Vertreter der Stadtgemeinde Bremen auf der "Staatsbank" sitze und als 25-jähriger Student in die SPD eingetreten, somit doppelt betroffen bin. Ich bin auch im djv sowie Vorsitzender eines Stiftungsrats eines Museums und Vorstandsmitglied bei den Freunden der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Müsste ich daher nicht vielmehr als Gewerkschafter oder in der Kategorie Journalismus oder als Kultur-Lobbyist gezählt werden? Oder hat gar der Umstand, dass ich in einer Eigentumswohnung lebe und auch noch Vorsitzender des Verwaltungsbeirats der Eigentümergemeinschaft bin, Einfluss auf die Berichterstattung von Radio Bremen über die Probleme mit der neuen Grundsteuer? Wohl kaum. Persönlichkeiten sind offenbar vielfältiger als der schlichte Glaube an die Macht des Parteibuchs weismachen will…

3.3.2025